Biden über Proteste an US-Universitäten: „Kein Platz für Hass oder Gewalt“

Erstmals äußert sich US-Präsident Biden zu den Protesten an amerikanischen Universitäten. Seine Nahost-Politik wird die Wahlen im November beeinflussen.

US-Präsident Joe Biden steht vor einem Bild und spricht

US-Präsident Joe Biden bei seinem Statement zu den Proteste an US-Universitäten Foto: REUTERS/Nathan Howard

WASHINGTON taz | Friedliche Proteste und Meinungsäußerung gehören zu einer Demokratie. Doch Gewalt, Einschüchterung und Antisemitismus haben keinen Platz. US-Präsident Joe Biden spricht am Donnerstag Klartext in einer Rede aus dem Weißen Haus. Es war die erste offizielle Stellungnahme des Präsidenten, nachdem es in den vergangenen Tagen zu Ausschreitungen zwischen pro-palästinensischen Demonstranten und der Polizei an vielen amerikanischen Hochschulen gekommen war.

„Wir sind keine autoritäre Nation, in der wir Menschen zum Schweigen bringen oder abweichende Meinungen unterdrücken. Das amerikanische Volk wird gehört. Tatsächlich ist der friedliche Protest eine der besten Traditionen, wie Amerikaner auf tiefgreifende Probleme reagieren. Aber wir sind auch kein gesetzloses Land, unsere Zivilgesellschaft und Ordnung muss Vorrang haben“, erklärte Biden. Seine Ansprache dauerte nicht einmal fünf Minuten.

In den vergangenen Tagen kam es an vielen US-amerikanischen Universitäten und Colleges zu teils gewaltvollen Szenen. Von New York bis Los Angeles wurden Proteste an verschiedenen Hochschulen mit Polizeigewalt niedergeschlagen. Zeltlager, in denen sich die Studierenden niedergelassen hatten, wurden gewaltsam geräumt. Es kam zu Handgreiflichkeiten und Sachbeschädigungen. An der Columbia Universität in New York setzte die Polizei Tränengas ein, um ein von Studenten besetztes Campus-Gebäude zu räumen. Studenten hatten sich zuvor gewaltsam Zutritt zu dem Gebäude verschafft.

„Die Zerstörung von Eigentum ist kein friedlicher Protest. Es verstößt gegen das Gesetz“, sagte Biden. „Vandalismus, Hausfriedensbruch, das Einschlagen von Fenstern, die Schließung von Campusgeländen und die erzwungene Absage von Kursen und Abschlussfeiern. Nichts davon ist Teil eines friedlichen Protests.“

Demos für ein Ende der israelischen Militäraktion

Studenten wie Professoren und andere Fakultätsmitglieder demonstrieren seit Wochen für ein Ende der israelischen Militäraktionen im Gazastreifen. Mehr als 40.000 Menschen haben dort seit dem Beginn des Kriegs zwischen Israel und Hamas ihr Leben verloren. Gefordert wird ein sofortiger Waffenstillstand. Und an vielen Universitäten verlangen Studenten, dass die Hochschulen und Colleges jegliche finanziellen Beziehungen zu Israel, israelischen Unternehmen oder anderen Firmen, die am Krieg beteiligt sind, beenden. Nur wenige Institutionen haben diesen Forderungen bislang zugestimmt und versprochen, ihre Investitionen genauer unter die Lupe zu nehmen.

„Meinungsverschiedenheit ist ein maßgeblicher Bestandteil von Demokratie“, sagte Biden einlenkend. Allerdings: „Es gibt keinen Platz für Hassrede oder Gewalt jeglicher Art, sei es Antisemitismus, Islamophobie oder Diskriminierung arabischer oder palästinensischer Amerikaner.“ Der US-Präsident schob hinterher: „Es ist einfach falsch. In Amerika gibt es keinen Platz für Rassismus. Es ist alles falsch. Es ist unamerikanisch.“

Biden unterstrich damit die bereits bekannte Position seiner Regierung. Egal ob während der „Black Lives Matter“-Proteste oder rechtsradikalen Kundgebungen, die Regierung vertritt eine klare Position: Friedliche Proteste sind Teil der amerikanischen Tradition. Aber sobald Gewalt oder Vandalismus ins Spiel kommt, handelt es sich um einen Gesetzesverstoß.

Biden erklärte auch, dass Menschen in Situationen der Unruhe immer versuchten, politisch zu punkten. Gemeint waren damit wohl vor allem Republikaner, die die anti-israelischen Proteste für ihre eigenen Ziele nutzen wollen. Republikanische Abgeordnete und Senatoren hatten sich in den vergangenen Wochen ein persönliches Bild von den verschiedenen Protesten an den Universitäten gemacht und dabei betont, dass die USA weiter hinter dem Verbündeten Israel stehen.

Trump attackiert Biden für seine Nahost-Politik

Ex-Präsident Donald Trump erklärte, dass die Ausschreitungen an den amerikanischen Universitäten ein Sinnbild für Bidens fehlgeschlagene Nahostpolitik sei. Für Biden selbst stellt die aktuelle Situation eine Problematik mit Hinblick auf die Wahlen im November dar. Viele der Studenten äußern öffentlich Kritik an der Regierung, die ihrer Meinung nach Israel stärker unter Druck setzen sollte, um palästinensische Zivilisten im Gazastreifen zu schützen. Die Regierung hat zwar Israel dazu aufgefordert, den Schutz der Zivilisten zu priorisieren, doch gleichzeitig sagt sie dem israelischen Premierminister Benjamin Netanyahu ihre unerschütterliche Unterstützung zu.

„Täuschen Sie sich nicht, als Präsident werde ich immer die freie Meinungsäußerung verteidigen, und ich werde mich immer genauso stark für die Rechtsstaatlichkeit einsetzen“, so Biden.

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Am 3. November 2020 haben die USA einen neuen Präsidenten gewählt: Der Demokrat Joe Biden, langjähriger Senator und von 2009 bis 2017 Vize unter Barack Obama, hat sich gegen Amtsinhaber Donald Trump durchgesetzt.

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