Videospiel-Serie „Fallout“ bei Amazon: Leider mehr Moral

Gewalt und vorhersehbare Charaktere: Die Serie „Fallout“ handelt von einer düsteren Welt nach dem Atomkrieg. Der Spielvorlage wird sie selten gerecht.

Ein Mann mit Cowboyhut. Er hat ein Loch anstelle einer Nase.

Walton Goggins in „Fallout“ Foto: Prime Video/ap

Was bleibt nach dem Atomkrieg? Was bleibt, wenn sich die Nationen der Welt doch dazu entscheiden, den roten Knopf zu drücken? Wenn die Diplomatie keinen Dialog mehr bringt und sich die Pilzwolken am Horizont bilden?

In der Serie „Fallout“ erhellen die Atomwolken gleich zu Beginn den Horizont, bevor sie die Welt verdunkeln. Die Menschen flüchten sich in „Vaults“, unterirdische Schutzbunker, in denen sie ihre eigene Gesellschaft aufbauen. Lucy (Ella Purnell) kennt nichts anders als die blau-gelben Overalls von ihrem Vault 33 und das alltägliche Leben mit aufgemaltem Himmel und künstlichen Wiesen.

Sie ist Teil eines Kollektivs, dessen oberstes Ziel die Selbsterhaltung ist und die Wiederbevölkerung der Erde. Auch deswegen muss jeder einen Nutzen für die Gesellschaft haben. Lucy soll sich zum Wohl der Menschheit fortpflanzen. Die Fassade eines Alltags wird so lange aufrechterhalten, bis ihr Vater aus dem Vault entführt wird und sie ihn auf eigene Faust finden muss. Zum ersten Mal in ihrem Leben und 219 Jahre nach dem Atomkrieg sieht sie die Oberwelt. Oder vielmehr das Waste­land, das noch übrig ist.

Neben Lucy folgt „Fallout“ außerdem dem Schwarzen Maximus (Aaron Moten), der an der Oberfläche aufwuchs und einen Traum hegt. Er will der Stählernen Bruderschaft beitreten, einer Kreuzung aus US-Army und Sol­da­t:in­nen in überdimensionalen silbernen Rüstungen mit enormer Feuerkraft.

„Fallout“, seit 12. April auf Amazon Prime

Trotz – oder gerade wegen – der Atombomben hat mit der Bruderschaft auch der Militarismus überlebt. Für die Menschen in Rüstungen ist er zur Religion geworden. Sie glauben an Stärke, Härte, Waffen und Hierarchie, brandmarken neue Re­kru­t:in­nen und halten sakrale Riten ab.

Das Spiel hat den Vorteil, interaktiv zu sein

Der Stählernen Bruderschaft ist jedes Mittel recht, um zu retten, was es noch von der Welt gibt. Der Machiavellismus scheint selbst nach dem Atomschlag unauslöschbar. Doch Maximus merkt schnell, dass die Bruderschaft nicht seinen Vorstellungen entspricht und spaltet sich ab. Auch er zieht durch das zerrüttete Wasteland, trifft auf verrückte Charaktere, schließlich auf Lucy.

Die Serie basiert auf der gleichnamigen Videospielreihe, die Kultstatus hat. Seit 1997 sind sechs Hauptspiele und mehrere Ableger erschienen. Besonders „Fallout 3“ von 2008 und „Fallout: New Vegas“ von 2010 gelten als Meilensteine.

Die Amazon-Serie fängt die Atmosphäre glaubwürdig ein. Trotz ihrer Qualitäten kann sie aber nicht an das Spiel heranreichen. Das liegt auch daran, dass es durch die interaktive Erzählung einen Vorteil hat. Die Spielenden können die feindliche Welt in ihrem Tempo entdecken. Wenn man mitten im Nichts ein Skelett mit einer Waffe und einem Abschiedsbrief findet, erzählt das eine eigene Geschichte. In den Spielen verschwinden auch moralische Grenzen schnell.

Dort kann man sich faschistischen oder demokratischen Gruppen anschließen, Konflikte diplomatisch oder mit dem Schießeisen lösen. Solche Spannungen kann die Serie nicht darstellen. Stattdessen folgt das Publikum Charakteren, die oft vorhersehbar agieren.

Sieht man von den mittelmäßigen Spezialeffekten ab, bleibt eine kurzweilige Serie, die sich am Spiel orientiert, aber nicht dessen Tiefe bietet.

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